„Das Jugendamt hat uns geschickt“, sagte Annas Vater.
Ein Satz, bei dem viele Eltern erst einmal zusammenzucken.
Vielleicht auch Sie?
Denn wenn das Wort Jugendamt fällt, denken viele sofort an zerrüttete Familien, an Kontrolle, an ernste Sorgen um das Kindeswohl. Doch das ist nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was das Jugendamt tatsächlich leistet. In Wahrheit ist es viel öfter eine unterstützende Instanz – und kein drohendes Schreckgespenst.
Das Jugendamt: Mehr Hilfe als Kontrolle
Was viele nicht wissen:
Das Jugendamt ist nicht nur dann zuständig, wenn es „brennt“.
Es ist vor allem eine wichtige Anlaufstelle für Familien, die Unterstützung suchen – und das frühzeitig.
Vielleicht fühlen Sie sich in bestimmten Erziehungssituationen überfordert.
Vielleicht haben Sie den Eindruck, dass Ihr Kind in der Schule untergeht.
Oder es zieht sich zurück, leidet unter Ängsten, Versagensgefühlen oder psychosomatischen Beschwerden.
Genau hier setzt das Jugendamt an.
Und das gilt nicht nur für Familien mit großen Problemen.
Auch stabile, liebevolle Eltern-Kind-Beziehungen dürfen sich Hilfe holen.
Denn: Wer früh Unterstützung bekommt, braucht später keine Notlösungen.
Lerntherapie – finanziert durch das Jugendamt
Eine der wichtigsten Möglichkeiten, die das Jugendamt bietet, ist die Finanzierung einer qualifizierten Lerntherapie – z. B. bei Legasthenie oder Dyskalkulie.
Die rechtliche Grundlage dafür ist der § 35a SGB VIII. Dieser Paragraf regelt die sogenannte Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche, deren seelische Gesundheit gefährdet ist.
Und das Beste:
Die Kostenübernahme ist unabhängig vom Einkommen.
Es spielt keine Rolle, ob Sie gut verdienen oder nicht. Entscheidend ist allein, was Ihr Kind braucht.
Wann übernimmt das Jugendamt die Kosten?
Eine Lerntherapie kann durch das Jugendamt finanziert werden, wenn:
- Ihr Kind deutliche schulische Schwierigkeiten zeigt (z. B. beim Lesen, Schreiben oder Rechnen)
- Diese Schwierigkeiten das seelische Wohlbefinden beeinträchtigen (z. B. Schulangst, Rückzug, körperliche Beschwerden ohne Befund)
- Eine außerschulische Förderung empfohlen wird, weil schulische Maßnahmen nicht ausreichen
Das klingt erstmal nach viel Papierkram.
Aber keine Sorge: Viele Jugendämter arbeiten heute sehr lösungsorientiert und unterstützend – und viele lerntherapeutische Praxen helfen Ihnen beim Sammeln der nötigen Unterlagen.
Der Weg zur Lerntherapie – Schritt für Schritt
Damit das Jugendamt die Kosten übernimmt, braucht es einige wichtige Unterlagen.
Hier eine praktische Checkliste, mit der Sie den Überblick behalten:
✅ Checkliste: Lerntherapie über das Jugendamt finanzieren lassen
Ziel: Kostenübernahme einer Lerntherapie bei Legasthenie oder Dyskalkulie
Rechtsgrundlage: § 35a SGB VIII – Eingliederungshilfe bei (drohender) seelischer Behinderung
🔍 Dokument | 📎 Wofür es gebraucht wird | 📍 Woher bekomme ich das? |
---|---|---|
Antrag auf Eingliederungshilfe | Startpunkt – wird beim Jugendamt eingereicht | Jugendamt, Sachbearbeitende oder Website |
Ärztliches Gutachten | Bestätigung der Lernstörung & seelischen Gefährdung | Kinder- und Jugendpsychiater, Amtsarzt, SPZ |
Schulische Stellungnahme | Nachweis, dass schulische Förderung nicht ausreicht | Lehrkraft, Schulsozialarbeit, Sekretariat |
Entwicklungsberichte | Optional, aber hilfreich | Kita, Frühförderstelle, Therapie (Logo/Ergo) |
Gespräch beim Jugendamt | Klärung des Bedarfs & nächster Schritte | Termin beim Jugendamt (telefonisch oder per Mail) |
💡 Tipps für den Antrag
- Vereinbaren Sie frühzeitig einen Gesprächstermin beim Jugendamt – Wartezeiten sind möglich
- Fragen Sie nach der voraussichtlichen Bearbeitungszeit
- Bitten Sie ggf. um eine Zwischenlösung oder vorläufige Finanzierung
- Nutzen Sie die Unterstützung lerntherapeutischer Praxen beim Zusammenstellen der Unterlagen
Häufige Fragen – kurz beantwortet
Spielt mein Einkommen eine Rolle?
Nein. Die Finanzierung läuft über die Eingliederungshilfe – nicht über Sozialhilfe. Ihr Einkommen bleibt unberücksichtigt.
Was bedeutet „seelische Behinderung“?
Der Begriff mag sperrig klingen, aber er ist rechtlich notwendig, um Hilfe zu ermöglichen. Es geht dabei nicht um eine Abwertung – sondern um den Schutz Ihres Kindes.
Was, wenn der Antrag abgelehnt wird?
Dann können Sie Widerspruch einlegen. Scheuen Sie sich nicht, dafür Hilfe in Anspruch zu nehmen – z. B. bei Beratungsstellen oder Ihrem Lerntherapeuten.
Fazit: Hilfe annehmen heißt Verantwortung übernehmen
Das Jugendamt ist keine Bedrohung.
Es ist ein Partner.
Ein Partner, der Familien unterstützt, bevor die Belastung zu groß wird.
Ein Partner, der Kindern wie Anna die Hilfe ermöglicht, die sie verdienen – unabhängig von Einkommen oder Herkunft.
Und das ist eine gute Nachricht.
Wenn Sie also spüren, dass Ihr Kind Unterstützung braucht:
Warten Sie nicht.
Holen Sie sich Hilfe.
Denn wer Hilfe annimmt, beweist Stärke. Nicht Schwäche.