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LRS in der Schule – was Eltern wissen sollten

Nachteilsaugsleich, BASS und Ihre Möglichkeiten

 

Bei vielen Kindern beginnt es ganz unauffällig:
Ein paar verdrehte Buchstaben, Probleme beim Vorlesen, Tränen bei den Hausaufgaben.
Und irgendwann steht er im Raum: der Verdacht auf eine Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) oder Legasthenie.

Für viele Eltern ist das ein Schock. Verständlich. Denn sofort tauchen die ersten Fragen auf:
Was bedeutet das für mein Kind? Wird es jetzt abgehängt? Und vor allem – was kann die Schule tun?

Doch keine Sorge, Sie haben Rechte, es gibt Möglichkeiten.
Lassen Sie sich mit diesem Text und der Checkliste unterstützen.


Was die Schule leisten muss: Die BASS NRW

Vielleicht haben Sie den Begriff schon einmal gehört?

„BASS.“ ist die Abkürzung für die Amtliche Sammlung der Schulvorschriften in NRW.
Dort ist geregelt, was Schulen tun sollen bzw. können, wenn ein Kind besondere Schwierigkeiten beim Lesen oder Schreiben hat.
Im Abschnitt BASS 14-01 Nr. 1 heißt es:

Schülerinnen und Schüler mit besonderen Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und/oder Rechtschreibens erhalten individuelle Unterstützung im Unterricht. Darüber hinaus können Maßnahmen des Nachteilsausgleichs gewährt werden.“

Das klingt zunächst abstrakt. Doch was bedeutet das im konkreten Schulalltag?


Nachteilsausgleich – was steckt dahinter?

Stellen Sie sich vor, ein Kind läuft mit einem schweren Rucksack einen Marathon – während die anderen leichtfüßig davoneilen.
Genau dieses Ungleichgewicht versucht der Nachteilsausgleich auszugleichen.
Es geht nicht darum, Anforderungen zu senken – sondern Bedingungen fairer zu gestalten.
Damit das Kind trotz LRS zeigen kann, was es weiß.

Typische Maßnahmen sind zum Beispiel:

  • Zeitverlängerung bei Klassenarbeiten
  • Keine Bewertung der Rechtschreibung in bestimmten Fächern
  • Mündliche Leistungen statt schriftlicher Arbeiten
  • Hilfsmittel, wie größere Schrift oder Vorlesesoftware
  • Zusätzliche Pausen, wenn Prüfungen länger dauern

Wie stellen Eltern einen Antrag?

Wenn Sie den Eindruck haben, dass Ihr Kind einen Nachteilsausgleich benötigt, gehen Sie am besten schrittweise vor:

  1. Gespräch mit der Lehrkraft suchen – Fragen Sie, wie sich die Lese-Rechtschreib-Problematik im Schulalltag zeigt und ob bereits Fördermaßnahmen laufen.
  2. Fachliches Gutachten besorgen – Lassen Sie die Schwierigkeiten durch einen Kinderarzt, eine Psychologin oder eine Lerntherapeutin bestätigen.
  3. Schriftlichen Antrag an die Schule stellen – Ein formloses Schreiben genügt. Wichtig ist, dass Sie sich auf BASS 14-01 Nr. 1 beziehen.
  4. Gespräch über Maßnahmen führen – Die Schule ist verpflichtet, Sie einzubinden und gemeinsam geeignete Maßnahmen zu besprechen.
  5. Regelmäßige Überprüfung – Ein Nachteilsausgleich gilt in der Regel nur für ein Schuljahr und wird danach erneut betrachtet.

Und wenn Sie das Gefühl haben, dass nichts passiert? Dann haben Sie das Recht, sich an die Schulaufsicht oder die schulpsychologische Beratungsstelle zu wenden. Lassen Sie sich nicht abspeisen – Ihr Anliegen ist berechtigt.


Gibt es gute und schlechte Zeitpunkte?

Ja – tatsächlich gibt es Zeitpunkte, die sich besser eignen als andere.

Gute Zeitpunkte:

  • Vor Beginn eines neuen Schuljahres – so kann der Nachteilsausgleich direkt mit eingeplant werden.
  • Vor wichtigen Prüfungsphasen – etwa bei Vergleichsarbeiten oder Zentralprüfungen.
  • Wenn eine Diagnose frisch vorliegt – dann ist der Bedarf klar belegt und die Schule kann direkt reagieren.

Weniger geeignete Zeitpunkte:

  • Kurz vor den Sommerferien – hier fehlt oft die Zeit, um noch etwas umzusetzen.
  • Mitten im Schuljahr ohne neue Informationen – der Antrag wird dann schnell aufgeschoben.

Fazit: Besser jetzt als nie. Wenn Sie das Gefühl haben, dass Ihr Kind Unterstützung braucht, dann handeln Sie. Warten Sie nicht auf den „perfekten Moment“.


Ihre Rechte als Elternteil

Viele Eltern wissen nicht, was ihnen eigentlich zusteht.
Sie haben das Recht…

  • eine individuelle Förderung für Ihr Kind einzufordern
  • am Förderplan mitzuwirken – das heißt, Sie werden einbezogen
  • bei Vorliegen eines fachlichen Gutachtens (z. B. vom Kinderarzt, Psychologen oder Lerntherapeuten) einen Nachteilsausgleich zu beantragen
  • sich bei Unklarheiten an die Schulpsychologie oder Schulaufsicht zu wenden

Die Schule muss den Antrag ernst nehmen – und kann ihn nicht einfach „ablehnen“, weil es gerade nicht passt.


Was Lehrkräfte wissen sollten

Auch für Lehrkräfte gilt: Der Nachteilsausgleich ist keine Extrawurst, sondern ein rechtlich abgesichertes Instrument für mehr Fairness.

Wichtig ist:

  • Fördermaßnahmen sollten Teil der Lernplanung sein – nicht etwas, das nebenherläuft
  • Der Kontakt mit Eltern und Fachleuten hilft, bessere Lösungen zu finden
  • Und ganz ehrlich: Es ist kein „Bonus“, sondern ein Weg, Kindern gerecht zu werden, die unter anderen Bedingungen dieselbe Leistung erbringen könnten

Was bringt das alles?

Ein Nachteilsausgleich kann viel bewirken – aber eben nicht alles.
Hier ein Blick auf beide Seiten:

Vorteile:
✅ weniger Frust und Überforderung
✅ mehr Sicherheit bei Prüfungen
✅ bessere Noten trotz LRS
✅ mehr Selbstvertrauen
✅ rechtlich abgesichert – für Lehrkräfte und Eltern

Aber:
⚠️ Er löst nicht das Grundproblem – nur dessen Bewertung
⚠️ Manche Kinder fühlen sich dadurch „anders“
⚠️ Ohne echte Förderung (z. B. durch eine Lerntherapie) bleibt es oft beim Trostpflaster
⚠️ Die Umsetzung ist von Schule zu Schule verschieden
⚠️ Manche Eltern hoffen auf eine schnelle Lösung – die es so leider nicht gibt


Mein Fazit

Ein Nachteilsausgleich ersetzt keine Therapie.
Er kann kein kaputtes Schulsystem reparieren.
Und auch keine Beziehung zwischen Ihnen und Ihrem Kind.

Aber er kann helfen.
Er kann entlasten. Mut machen. Stabilisieren.
Und manchmal ist genau das der kleine Unterschied, der Großes bewirkt.

Denn jedes Kind hat das Recht, gesehen zu werden.
Und eine faire Chance verdient es sowieso.

 


Bonus:

Ihre Checkliste zum Ausfüllen mit zeitlichen Empfehlungen

Schritt Was ist zu tun? Empfohlener Zeitpunkt Begründung / Hinweis Erledigt
1. Beobachten & dokumentieren Auffälligkeiten beim Lesen/Schreiben notieren, Materialien sammeln laufend über mehrere Wochen Je länger Sie Muster beobachten, desto fundierter ist das Gespräch mit der Schule
2. Gespräch mit der Schule Austausch mit Klassenleitung über Beobachtungen und Förderbedarf spätestens 6–8 Wochen vor Schuljahresende oder direkt nach Auffälligkeiten Frühzeitig vor den Zeugnissen sprechen, damit Förderplanung ins neue Schuljahr einfließt
3. Fachliche Abklärung Testung oder Gutachten bei Kinderarzt, Psychologen oder Lerntherapeutin einholen vor Sommerferien oder zu Beginn des Schuljahres Die Ergebnisse können dann rechtzeitig in den Förderplan und Antrag einfließen
4. Antrag auf Nachteilsausgleich stellen Formlosen Antrag an die Schule stellen (mit Bezug auf BASS 14-01 Nr. 1) direkt nach Vorliegen des Gutachtens oder vor Schuljahresbeginn So kann der Nachteilsausgleich zu Schuljahresstart umgesetzt werden
5. Maßnahmen abstimmen Gemeinsames Gespräch über geeignete Maßnahmen führen innerhalb der ersten 4 Schulwochen Frühzeitige Klärung vermeidet Missverständnisse und schafft Planungssicherheit
6. Wirkung prüfen Nach einigen Wochen Rückmeldung einholen, ggf. Anpassungen besprechen nach 8–12 Wochen und jeweils zum Halbjahr Wirkung zeigt sich erst nach einiger Zeit – regelmäßige Anpassung hält die Förderung wirksam
🚨 7. Wenn es hakt Schulpsychologie oder Schulaufsicht einschalten sobald Schule nicht reagiert oder Maßnahmen nicht greifen Lieber frühzeitig nachhaken, bevor sich Frust und Überforderung beim Kind verfestigen

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