Du betrachtest gerade Von Herz zu Herz – Warum ‘Einzeln ist besser’ so oft nicht mehr stimmt

Von Herz zu Herz – Warum ‘Einzeln ist besser’ so oft nicht mehr stimmt

Kennen Sie diesen Gedanken:
“Einzelförderung ist das Beste, was einem Kind passieren kann.”
Individuell, fokussiert, ungestört.

Auch ich dachte das lange.
Bis ich begann, genauer hinzusehen.

Denn Lernen ist nicht nur eine Frage der richtigen Methode.
Es ist Beziehung. Gefühl. Vertrauen.
Und manchmal ist es genau nicht die Eins-zu-Eins-Situation, die ein Kind wachsen lässt – sondern das Miteinander.


Warum wir Einzelförderung hinterfragen dürfen

Natürlich hat Einzelförderung viele Stärken:
Sie erlaubt eine ganz individuelle Begleitung, besonders bei spezifischen Schwierigkeiten.
Sie gibt Sicherheit, Struktur – und Raum für Rückzug.

Aber sie hat auch Grenzen:
Ein Kind in einer Einzelförderung kann sich allein, einsam, stigmatisiert fühlen.
“Keiner ist so wie ich.”
Wenn lediglich ein Erwachsener das Lernen begleitet, ganz egal, wie sehr er / sie auf Augenhöhe lehrt, das Gefühl, “alles allein schaffen zu müssen” kann erdrückend für die Kinderseele sein.
Oft fehlt das, was im schulischen Alltag ohnehin zu kurz kommt: Austausch, Kooperation, gemeinsam wachsen.

Und genau da setzt unsere lerntherapeutische Arbeit an.
Wir denken Förderung weiter.
Nicht entweder oder, sondern sowohl als auch.
Individuell, ja – aber eingebettet in Beziehung, in soziale Erfahrung, in echte Verbindung.


Drei Wege, wie Förderung heute aussehen kann

1. Einzelförderung
Der Klassiker: EinE TherapeutIn mit einem Kind.
Hilfreich, wenn es um gezielte Diagnostik, Ängste, Blockaden, sehr spezifische Themen oder sensible Phasen geht.

2. Trainingspartnerschaft
Zwei Lernende arbeiten zusammen, unterstützen sich, erklären einander.
Das fördert nicht nur Fachliches, sondern auch Selbstwert, Verantwortung und Motivation. Soziale Bindung, Gemeinsamkeit und Begeisterung für das Lernen.
Nicht selten können so Freundschaften für das Leben entstehen. Halt, stabil, sicher.

3. Mischformen – der neue Maßanzug für Ihr Kind
Ein besonders flexibles Modell in unserem Haus, z. B. 30 Minuten Einzelarbeit, 30 Minuten Partnerphase. Oder auch zwei Einzelförderungen in einem Raum.
So können Kinder sowohl ihre Themen bearbeiten als auch erleben: Ich bin nicht allein. Ich kann anderen helfen. Und ich darf Hilfe annehmen.


Was die Forschung dazu sagt

  • Trainingspartnerschaften (in der Literatur oft Peer-Learning genannt)  funktionieren – und zwar gut.
    Meta-Analysen zeigen: Die Lernleistung steigt, besonders bei Kindern mit Förderbedarf. Und auch das psychische Wohlbefinden nimmt zu.
  • Soziale Zugehörigkeit wirkt.
    Wer sich eingebunden fühlt – in ein Lernsetting, in eine Gruppe, in Beziehung – hat mehr Motivation, weniger Stress, bessere Leistungen.
  • Einzelförderung wirkt – aber nicht in jedem Bereich gleich stark.
    Motivation, Selbstvertrauen, Teamfähigkeit: All das wächst oft besser im Miteinander als im stillen Kämmerlein.

Wann ist welche Form die richtige?

Es gibt kein „richtig“ oder „falsch“.
Es gibt nur das, was passt – zum Kind, zur Situation, zum Ziel.

Einzelförderung ist sinnvoll bei:

  • starken Ängsten, Rückzug, traumatischen Erfahrungen
  • sehr spezifischen und extrem individuellen Ursachen / Themen
  • akuter Prüfungs- oder Testvorbereitung

Trainingspartnerschaften oder Mischformen sind hilfreich bei:

  • Wunsch nach mehr Selbstwirksamkeit
  • Förderung von Erklärfähigkeit, Perspektivwechsel, Teamarbeit
  • niedriger Motivation – denn gemeinsam lernt es sich oft leichter

Weg mit dem Mythos – Was uns wichtig ist

Wir wollen mit dem Mythos aufräumen, dass Einzelförderung immer die beste Lösung ist.
Manchmal brauchen Kinder eben nicht mehr Fokus, sondern mehr Verbindung.
Nicht mehr Kontrolle, sondern mehr Vertrauen.

Und wir sehen es immer wieder:
Wenn Kinder erleben, dass sie anderen helfen können – oder dass jemand da ist, der sie versteht –
dann wachsen sie.
Dann entsteht Entwicklung. Von innen heraus.


Zum Schluss: Vertrauen in das, was wirkt

Unsere Aufgabe ist es, genau hinzusehen.
Was braucht dieses Kind, Ihr Kind – heute, in dieser Woche, in dieser Phase?

Manchmal ist es Ruhe.
Manchmal ein Gegenüber.
Manchmal beides.

Wir schneidern den Maßanzug.

Förderung ist kein starres Konzept.
Sie ist lebendig, wandelbar, voller Möglichkeiten.
Und vor allem: Beziehungssache.


 

Schreibe einen Kommentar